Im Zuge einer durchziehenden Warmfront kommt es in der kommenden Nacht und am Mittwochvormittag in der Deutschschweiz recht verbreitet zu gefrierendem Regen. Welche Regionen sind dabei besonders betroffen und wie kommt ein solches Ereignis überhaupt zustande? Dies und weitere Fragen klären wir in diesem MeteoBlog.
Gefrierender Regen oder Eisregen?
Oftmals werden die Begriffe Eisregen und gefrierender Regen gleichgesetzt. Auch wenn das Resultat – eine gefrorene Oberfläche – oftmals das gleiche ist, unterscheiden sich die beiden Niederschlagsformen voneinander.
Beim Eisregen (auch unterkühlter Regen) fallen unterkühlte, aber dennoch flüssige Regentropfen auf eine kalte, aber nicht zwangsläufig gefrorene Oberfläche. Beim Auftreffen des Tropfens kommt es zur sofortigen Eisbildung (freeze on impact). Damit dieser Prozess stattfinden kann, müssen einige Bedingungen erfüllt sein. Einerseits muss die Atmosphäre ein bestimmtes Temperaturprofil aufweisen. Zwischen den in der Höhe kalten Luftmassen und kalter Luft am Boden (z. B. durch einen Kaltluftsee) muss sich eine wärmere Luftschicht mit (leicht) positiven Temperaturen befinden. Fällt nun eine Schneeflocke aus der oberen kalten Luftschicht in die wärmere Zwischenschicht, so kommt es zum Schmelzprozess. Die nun flüssigen Regentropfen fallen schliesslich in die wiederum kältere Grundschicht in Bodennähe und kühlen sich wieder ab. Damit sich nun erneut Eiskristalle bilden können, werden sogenannte Nukleations- oder Kristallisationskeime benötigt (z. B. Aerosole, Staub-, Russ- oder auch Salzpartikel). Befinden sich in der Grundschicht jedoch zu wenige dieser Kristallisationskeime, dann kühlen sich die fallenden Tropfen bis unter den Gefrierpunkt ab, bleiben aber in der flüssigen Form. Beim Auftreffen auf dem Boden oder bei der Berührung sonstiger Gegenständen übernimmt die Oberfläche die Rolle des Kristallisationskeims, wodurch eine sofortige Eisbildung einsetzt. Die Oberflächentemperatur muss allerdings nicht zwangsläufig negativ sein, denn der unterkühlte Regentropfen bringt genügend "Kühlleistung" mit.
Abb. 1: Symbolbild von Eisablagerungen ; Quelle: Pixabay
Von gefrierendem Regen hingegen spricht man, wenn ähnlich dem vorgängig beschriebenen Prozess Schneeflocken auf dem Weg zur Erde schmelzen und in eine kalte Grundschicht gelangen. Anders als beim Eisregen ist diese Grundschicht weniger mächtig (dick). Die Tropfen kühlen sich zwar auch hier bis zum Auftreffen auf den Boden ab, erreichen aber nicht eine unterkühlte Form (Temperatur der Tropfen bleibt leicht positiv). Damit sich nun am Boden dennoch Eis bilden kann, muss die Oberflächentemperatur zwangsläufig negativ sein. Die erforderliche "Kühlleistung" stammt in diesem Fall also nicht vom Tropfen, sondern von der Oberfläche.
Abb. 2: Unterschied zwischen gefrierendem Regen und Eisregen; Quelle: MeteoNews
Kritische Situation in der Nacht auf Mittwoch und am Mittwochvormittag
Bei uns in der Schweiz kommen Wetterlagen mit gefrierenden Regen oder Eisregen nicht allzu oft vor. Wenn, dann ist dies praktisch immer in Verbindung mit dem Durchzug einer Warmfront zu beobachten. Solche Warmfronten folgen meist auf verhältnismässig kalte Tage mit Dauerfrost oder zumindest einem am Boden ausgeprägten Kaltluftsee.
In der kommenden Nacht und am Mittwochvormittag sind die Bedingungen für gefrierenden Regen gegeben und gebietsweise sogar ideal. Obschon die Bewölkung heute Abend im Vorfeld der Warmfront von Westen allmählich zunimmt, sinken die Temperaturen bis Mitternacht in der Deutschschweiz auf –2 bis 0 Grad (2-Meter-Temperaturen, direkt über dem Boden ist es nochmals zwischen 1 und 3 Grad kälter), im Westen ist es etwas weniger kalt. Den meisten Wettermodellen nach dürfte man bereits vor Mitternacht von Westen her erste Niederschlagssignaturen auf dem Radar sehen. Klassischerweise bedeuten diese Signaturen von Warmfronten noch nicht zwangsläufig, dass der detektierte Niederschlag auch die Erdoberfläche erreicht. Vielfach kommt es bei Niederschlagseinsetzung zunächst zu Verdunstungsprozessen innerhalb der teils noch trockenen Schichten der Atmosphäre. Sobald ein gewisser Sättigungsgrad erreicht oder eine genügend hohe Niederschlagsintensität vorhanden ist, fällt der Niederschlag dann bis zur Erdoberfläche durch. Wie dem auch sei, auf alle Fälle wird man mit dem Durchzug der Warmfront eine "warme Nase" innerhalb der Atmosphäre sehen. Was das genau bedeutet, soll mit nachfolgender Abbildung veranschaulicht werden.
Abb. 3: Prognostiziertes Sounding für Zürich für Mitternacht (auf Mittwoch); Quelle: MeteoNews/UBIMET
Das Bild zeigt die untersten rund 10 Kilometer der Atmosphäre, für uns relevant ist aber lediglich das weisse Rechteck. Die rote Linie zeigt den Temperaturverlauf mit zunehmender Höhe, wobei die Temperaturen positiv sind, wenn sie rechts der orangen Linie liegen und negativ auf der linken Seite. Der Pfeil zeigt auf die "warme Nase", also den Bereich mit positiven Temperaturen (die rote Linie ist rechts von der orangen). Innerhalb dieser "warmen Nase" (zwischen rund 600 Metern und 1700 Metern über Meer) wandeln sich die fallenden Schneeflocken in Regentropfen um. Am Erdboden herrschen allerdings leicht negative Temperaturen vor (rote Linie links von der orangen). Es kommt zu Gefrierprozessen.
Solange das Profil so oder so ähnlich aussieht, kann sich eine kleine Eisschicht am Boden bilden. Wie lange und wie viel Eis sich ablagern kann hängt allerdings von weiteren Faktoren ab. Entscheidend wird es sein, ab wann der Südwestwind "durchgreift", also ab wann er für eine Durchmischung der Luftschichten und damit zu einem "Ausräumen" der bodennahen Kaltluft sorgen wird. Dies dürfte in der Westschweiz schon in den frühen Morgenstunden sein, in Kombination mit den weniger tiefen Temperaturen in der Nacht ist die Gefahr in der Westhälfte daher nur gering, resp. ein lokales Phänomen. Weiter im Osten hingegen dürfte es am Morgen und Vormittag noch nicht so viel Südwestwind haben, wodurch sich die Kaltluft am Boden länger halten wird. Weitere Faktoren der Eisakkumulierung sind nebst der Mächtigkeit der bodennahen Kaltluft, die freigesetzte Energie im Zusammenhang mit der Eisbildung, die Oberflächenbeschaffenheit und natürlich auch die getroffenen Vorbereitungen der Räumdienste (Salz).
Erwartete Eisansammlungen
Nachfolgende Karten zeigen die möglichen Eisansammlungen bis morgen Mittag. Am stärksten betroffen wird die Deutschschweiz und im Speziellen die Region vom Aargau bis zum Bodensee sein. Je nach Modell sind hier Eisakkumlierungen von ein paar Millimetern realistisch.
Abb. 4: Eisansammlungen gemäss zwei verschiedenen Modellen; Quelle: MeteoNews/UBIMET
Akute Glättegefahr
Aus diesen Gründen haben wir uns entschieden, in den am stärksten betroffenen Regionen eine rote Glättewarnung herauszugeben. Da das Ereignis zeitlich genau mit dem Berufsverkehr zusammenfallen dürfte, ist morgen besondere Vorsicht geboten. Vor allem auf ungesalzenen Strassen besteht akute Glättegefahr.
Abb. 5: Strassenglätte am Mittwochvormittag; Quelle: MeteoNews