Am 19. September 2022 verstarb Vernon Francis Dvorak im Alter von 93 Jahren. Er war ein amerikanischer Meteorologe, der eine auf Satellitendaten basierende Methode zur Bestimmung der Intensität von Tropenstürmen entwickelte. Sie hat die Prognose der Entwicklung dieser Systeme revolutioniert und im Laufe der Jahre viele Leben gerettet.
Erster Todestag von Vernon Dvorak
Aus diesem Anlass wollen wir heute einen Blick auf die nach ihm benannte Dvorak-Technik werfen. Sie basiert auf Satellitenbildern von Tropenstürmen im sichtbaren und infraroten Bereich des Lichts.
Abb. 1: Vernon Francis Dvorak (15.11.1928 bis 19.9.2022); Quelle: Wikipedia
Im Gegensatz zu grossräumigen aussertropischen Tiefdruckgebieten sind tropische Wirbelstürme oft deutlich kleiner, zudem entstehen sie auf dem offenen Meer über warmem Wasser. Vor dem Zeitalter der Satellitenbeobachtung hielt sich die Prognostizierbarkeit in engen Grenzen, die Vorwarnzeit war gering. Besondere Probleme bereiteten Aussagen über die Entwicklung eines Sturms – Abschwächung oder weitere Verstärkung. Mit den ersten Wettersatelliten begann sich die Prognose der Zugbahnen zu verbessern, ohne Messdaten von Bojen, Schiffen und Flugzeugen war eine Aussage über die aktuelle Intensität aber nach wie vor schwer. In den 70er Jahren entwickelte Vernon Dvorak eine Methode, die auf der Veränderung der Wolkenstruktur eines Wirbelsturms beruhte und davon ausgehend Aussagen zur aktuellen Intensität sowie der kurzfristigen Entwicklung zuliess. Diese Vorhersagetechnik wurde in den letzten Jahrzehnten stetig verbessert und für unterschiedliche Meeresregionen angepasst. Ursprünglich basierten die ersten Ansätze auf Daten aus dem Nordwestpazifik (Taifune), für den Atlantik und Ostpazifik (Hurrikans) wurde die Methode entsprechend adaptiert.
Wolkenmuster
Vernon Dvorak erkannte, dass gewisse Wolkenmuster einer gewissen Entwicklungsstufe und Intensität (und damit mittleren maximalen Windgeschwindigkeit) entsprachen.
Abb. 2: Ursprünglicher Katalog der verschiedenen Wolkenstrukturen bei tropischen Wirbelstürmen nach Dvorak; Quelle: Wikipedia
Die Methode stützt sich auf drei Säulen. Die erste ist die Kinematik, wobei die Rotation und die Neigung der Rotationsachse im Vordergrund stehen. Ein symmetrisch runder Wirbel deutet auf eine "gesunde" Struktur, eine hohe Organisation des Sturms hin. Der Durchmesser des rotierenden Bereichs gibt Hinweise auf die Dynamik, ein kleiner Sturm kann sich rascher verstärken als ein weit ausgedehnter. Und die Neigung der Rotationsachse lässt auf die vertikale Windscherung schliessen (Zunahme des Windes mit der Höhe und/oder Richtungsänderung). Ideal für einen Tropensturm ist eine möglichst geringe Windscherung, ansonsten wird die Entwicklung gestört.
Die zweite Säule ist das thermodynamische Verhalten, das Aussehen der Konvektion im Zentrum des Sturms. Über dem warmen Meer (mindestens 26 bis 27 Grad) verdunstet viel Wasser, die feuchte Luft steigt auf, kühlt sich dabei ab – der gasförmige Wasserdampf kondensiert wieder zu flüssigem Wasser. Dabei wird viel Energie frei, die dem Sturm zur Verfügung steht – quasi der Motor. Aus einem zunächst gänzlich unorganisierten Gewitterbereich bildet sich ein tropisches Tief mit erster Rotation, dann ein Tropensturm. Die weitere Steigerungsstufe sind dann Hurrikans, Taifune und Zyklone mit immer grösserer Rotationsgeschwindigkeit und einem sich bildenden Auge. Die stärkste Konvektion konzentriert sich um das Zentrum des Sturms, hier sind die Wolken am höchsten und am Oberrand sehr kalt – zum Teil finden sich Top-Temperaturen unter -70 Grad. Dabei wird die Symmetrie und Frequenz der Konvektion betrachtet, ob es sich um ein Pulsieren oder permanentes "Hochkochen" handelt.
Abb. 3: Auge von Hurrikan Isabel (2003) und die umgebende Eyewall; Quelle: pixabay
Abb. 4: Auge und Eyewall von Hurrikan Dorian (2019); Quelle: Wikipedia
Im Auge des Wirbelsturms sinkt die Luft ab und erwärmt sich dabei (und sie wird dadurch auch trockener – deshalb wolkenfrei). Der Temperaturunterschied zwischen dem sehr kalten Oberrand der Eyewall und dem warmen Auge ist ebenfalls ein Mass für die aktuelle Intensität.
Die dritte Säule ist schliesslich die Mustererkennung, in der die beiden ersten Aspekte zusammenfliessen. Jedes Muster entspricht einer T-Nummer, welche wieder einen direkten Zusammenhang zur aktuellen Windgeschwindigkeit herstellt. T8 ist die höchste Stufe und wird nur selten erreicht. Ein Beispiel hierfür ist Supertaifun Haiyan aus dem Jahr 2013.
Abb. 5: Infrarotaufnahme von Haiyan im speziellen schwarz-weiss Bereich der Dvorak Technik. Perfekte Symmetrie mit geschlossener und sehr breiter Konvektion, starker Temperaturkontrast zum warmen Auge; Quelle: Wikipedia
Wie oben bereits erwähnt, musste die Methode für die verschiedenen Meeresbereiche entsprechend angepasst und justiert werden. Grund dafür ist, dass der grossräumige Luftdruck im Nordwestpazifik im Mittel generell tiefer ist, als beispielsweise im Atlantik.
Abb. 6: Dvorak T-Nummern mit entsprechender Intensität; Quelle: Wikipedia
Im Ostpazifik und Atlantik liefern die Messflüge der Hurricane-Hunter (USA) reale Daten, die für die Kurzfristprognose und die hochauflösenden Computermodelle enorm wichtig sind. Allerdings sind diese Flüge kostspielig und stehen nicht überall auf der Welt zur Verfügung, auch ist der Reichweite der Flugzeuge Grenze gesetzt. Über dem offenen Atlantik, Pazifik oder Indischen Ozean stellt so die Dvorak-Technik ein entscheidendes Werkzeug zur Beurteilung der aktuellen Situation dar. Die Satellitendaten haben sich in den letzten Jahrzehnten massiv verbessert, auch die von Vernon Dvorak in den 70er Jahren gefundene Methode hat davon entsprechend profitiert. Dieser Artikel soll ihn entsprechend würdigen!