Der Winter ist wieder da, es ist entsprechend kalt. Morgen Samstag kommt auch die Bise dazu, und mit ihr fühlt sich das dann noch kälter an. Der Windchill-Faktor kommt zum Tragen. Was hat es damit auf sich?
Wind und Temperatur
Die Kombination aus Wind und Lufttemperatur hat je nach Jahreszeit unterschiedlichen Einfluss auf unser Wohlempfinden. Bei grosser sommerlicher Hitze beispielsweise ist hierzulande die Bise durchaus willkommen, da sie hohen Temperaturen besser erträglich macht. Wind erhöht nämlich auch die Verdunstungsrate – und dies nicht nur bei offenen Wasserflächen und dem Erdboden, sondern auch beim menschlichen Körper. Über die Haut und das Schwitzen reguliert er seinen Temperaturhaushalt. Was sich im Sommer gut anfühlt, kann sich im Winter bei tiefen Temperaturen ins Gegenteil verkehren! Hier kommt der Windchill-Faktor zum Tragen. Er ist ein Versuch, den Wärmeverlust des menschlichen Körpers bei verschiedenen Wind- und Temperaturverhältnissen zu quantifizieren. Im Jahr 1941 wurden die Polarforscher Paul Siple und Charles F. Passel von den US-Streitkräften beauftragt, diesbezüglich Versuche anzustellen. Diese hatten tatsächlich zunächst eher Laborcharakter und orientierten sich wenig an Alltagsbedingungen von Menschen. Über die Jahre wurden diese Versuche und Berechnungen adaptiert, was die Sache teilweise noch komplexer werden liess.
Tatsächlich ist der Windchill-Faktor nicht 1:1 mit der gefühlten Temperatur gleichzusetzen, er ist aber ein entscheidender Teil davon. Er ist ein genähertes Mass für den Wärmeverlust von menschlicher Haut. Um den Alltagsnutzen zu verbessern wird er als Temperaturwert angegeben. Bei Windstille oder nur wenig Wind bildet sich über der Haut ein flaches Paket mit wärmerer und angefeuchteter Luft, diese kann durch die Körperbehaarung gehalten werden. Bei zunehmender Windgeschwindigkeit wird diese kleine Warmluftschicht abgetragen, die Verdunstungsrate über der Haut erhöht sich. Dadurch kommt es zu einem Kühleffekt. Es entsteht also ein Unterschied zwischen der realen Temperaturmessung an einem trockenen Thermometer und der von einem Menschen in Realität empfundenen Temperatur. Dieser Unterschied vergrössert sich mit steigender Windgeschwindigkeit.
Abb. 1: Zunehmende Temperaturdifferenz mit steigender Windgeschwindigkeit ; Quelle: MeteoNews AG
Definiert ist der Windchill-Faktor erst für Temperaturen unter 10 Grad und Windgeschwindigkeiten ab 1,34 m/s. Inzwischen stehen gute Tabellen und Rechen-Tools im Internet zu Verfügung, die diesen Effekt quantifizierbar machen. So wird beispielsweise eine Lufttemperatur von 5 Grad bei einer Windgeschwindigkeit von 50 km/h wie -1 Grad empfunden. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass es auch -1 Grad sind! Es kommt noch zu keinen Erfrierungen (da die reale Temperatur positiv ist), sehr wohl aber zur Unterkühlung. Bei frostigen Temperaturen und viel Wind steigt dann allerdings auch die Gefahr von Erfrierungen an – dies zuerst an dem Wind ausgesetzten Stellen wie dem Gesicht (insbesondere Nasen, Wangen und Ohren). Im normalen Alltag eines Menschen in der Schweiz sind Kälte und Wind zumeist nur eine unangenehme Kombination, man spricht dann beispielsweise von einer "bissigen" Bise. Für Personen, die längere Zeit im Freien arbeiten, stellt das allerdings schon ein erhebliches gesundheitliches Risiko dar und stellt erhöhte Anforderungen an die Bekleidung. Dabei ist nicht nur der Wärme-, sondern auch der Windschutz wichtig!
Abb. 2: Windchill-Effekt, Einfluss des Windes auf die gefühlte Temperatur; Quelle: MeteoNews AG
Lebensbedrohend kann es dann beispielsweise im Bergsport werden. Bei grosser Anstrengung und nassgeschwitzter Kleidung sind die Reserven im Falle eines Unfalls oder plötzlichen Wetterwechsels nicht allzu gross. Hier hat unmittelbar der Schutz vor dem Wind Priorität, weshalb immer eine winddichte Jacke und eine Rettungsdecke mitgeführt werden sollte. Im Trailrunbereich ist dies bei Wettkämpfen sogar vorgeschrieben und wird entsprechend kontrolliert.
Abb. 3: In Extremsituation mitunter lebensrettend - eine Rettungsdecke; Quelle: free source
Um beim Bergsport zu bleiben: Hier zeigt sich auch, dass der Windchill-Faktor nur eine Näherung ist. In den Berechnungen wird als Basis die Meereshöhe angenommen. Mit der Höhe nimmt aber die Luftdichte und mit ihr auch deren Wärmekapazität ab, was den Effekt reduziert. Dies bleibt unberücksichtigt. Allerdings soll das ohnehin nicht auf die Kommastelle genau sein. Die grösste Variable bei der resultierenden gefühlten Temperatur ist ohnehin der Mensch. Ein grosser übergewichtiger Mann mit viel Körperfett reagiert anders als ein magerer Hochleistungsathlet oder eine kleine Frau. Fettige Körper- und Gesichtscremen verbessern den Kälteschutz, auch ein Bart macht einen Unterschied.
So oder so – wer will, kann ab morgen diesem Effekt am eigenen Leib genauer auf den Zahn fühlen. Zum winterlichen Temperaturniveau gesellt sich nämlich die Bise. Sie zieht morgen tagsüber an und weht am Nachmittag mässig mit Böen von 30 bis 40 km/h, am Genfersee wird sie sogar stark mit Spitzen von 50 bis 60 km/h. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt sucht man sich da gerne eine windgeschützte Ecke!