An Extremwetter und -ereignisse im Zuge der globalen Klimaerwärmung müssen wir uns gewöhnen. Normalerweise sorgen extreme Höchsttemperaturen für Schlagzeilen, derzeit zeigt sich aber im Norden Europas ein gegenteiliges Bild. Ein arktischer Kaltluftausbruch bringt Skandinavien die kältesten Januartage seit Jahrzehnten.
Tiefste Temperatur in Fennoskandinavien in diesem Jahrtausend
Nach einem äusserst kalten Mittwoch und Donnerstag sind die Temperaturen im Verlauf des Donnerstags und in der Nacht auf Freitag nochmals etwas tiefer gesunken. Am Flugplatz in Enontekis (Finnland) wurde kurz nach 2 Uhr in der Nacht eine Temperatur von –44.3 Grad gemessen. Damit wurde der bis dahin tiefste Temperaturwert seit der Jahrtausendwende auf der skandinavischen Halbinsel um ein paar Zehntel unterboten (bisheriger Rekord von –44.0 Grad im schwedischen Storbo, 2001).
Abb. 1: Temperaturverlauf Enontekis; Quelle: Meteorologiska Institutet
Da im hohen Norden die Polarnacht andauert, werden die tiefsten Temperaturen nicht unbedingt frühmorgens erreicht. Dies konnte man gestern schön beobachten, weswegen wir als kleinen Nachtrag auf den unteren Blogartikel noch ein paar aktualisierte Messdaten ergänzen. Das gestrige Temperaturminimum in Norwegen lag bei –43.5 Grad und wurde in Kautokeino gemessen, über den ganzen Tag gesehen wurde ein Durchschnittswert von –42.6 Grad berechnet. Sehr eindrücklich wenn man es mit dem Normwert vergleicht, welcher für einen 4. Januar bei gerade mal –13.6 Grad liegt, also knapp 30 Grad höher!
Abb. 2: Temperaturverlauf Kautokeino; Quelle: Yr
Auch in Schweden ging es gestern im Tagesverlauf nochmals etwas weiter runter mit dem Temperaturniveau. Die –43.8 Grad in Naimakka entsprechen dabei dem zweitkältesten Tag in Schweden seit der Jahrtausendwende. Vergleichbar kalt war es gestern auch in Kvikkjokk-Årrenjarka mit –43.6 Grad.
Arktischer Kaltluftausbruch in Nordeuropa
Ein kräftiges und recht stationäres Hochdruckgebiet über Skandinavien sorgt derzeit in Nordeuropa für ungewöhnlich tiefe Temperaturen. Mit einer antizyklonalen (Uhrzeigersinn) Strömung wird zudem arktische Luft in diese Regionen geführt. In den vergangenen Tagen wurden so sehr tiefe Temperaturen gemessen. Beispielsweise zeigte das Thermometer am Mittwochmorgen im schwedischen Kvikkjokk-Årrenjarka gerade mal noch –43.6 Grad an. An dieser Station wurde seit Inbetriebnahme im Jahr 1901 noch nie ein solch tiefer Wert gemessen, aber auch für Schweden ist diese Temperatur alles andere als gewöhnlich. Seit dem Rekordjahr 1999 mit einer Minimumtemperatur von –49 Grad in Karesuando (schwedischer Januarrekord, zusammen mit Vuoggatjålme im Januar 1951) wurde in Schweden seither lediglich einmal noch eine tiefere Temperatur gemessen (–43.8 Grad in Naumakka, Dezember 2021). Auch heute Morgen war es vergleichbar kalt, an acht offiziellen Messstationen wurde die –40 Grad-Marke erneut geknackt, wobei erneut Kvikkjokk-Årrenjarka den tiefsten Wert registrierte (–43.2 Grad). Doch nicht nur in Schweden ist es derzeit knackig kalt, auch die anderen skandinavischen Staaten melden ähnliche Minimumtemperaturen. In Finnland war es gestern bis zu –38.4 Grad kalt (Övertorneå), heute Morgen wurde am Flughafen von Enontekis gar –42.9 Grad gemessen, die tiefste Januartemperatur in Finnland seit 2006 (damals –43.6 Grad in Kittilä). Auch in Norwegen lagen die Minima heute unter –40 Grad. In Kautokeino sank die Temperaturanzeige auf –41.8 Grad. Auch in Teilen von Russland ist es sehr kalt. Beispielsweise wachte St. Petersburg heute bei –27 Grad auf. Wie aussergewöhnlich solche Temperaturen sind lässt sich am besten mittels einer Anomaliekarte zeigen. Dabei werden Abweichungen bezogen auf langjährige Durchschnittswerte dargestellt. Violette Farbtöne zeigen Regionen, welche zwischen 15 und 25 Grad kälter sind als für Anfang Januar üblich wäre.
Abb. 1: Temperaturabweichungen von heute Morgen gemäss GFS-Modell; Quelle: weathermodels
Bis Ende Woche ändert sich im Norden Europas temperaturtechnisch wenig. Anfang kommender Woche aber, dürfte ein sich bildendes Hochdruckgebiet nördlich der Britischen Inseln für den Zustrom von deutlich milderen Luftmassen sorgen, Mitte Woche könnten die Temperaturen dann teilweise in den knapp positiven Bereich steigen und damit lokal mehr als 40 Grad (!) höher sein als derzeit (Unterschied zwischen derzeitigen Minima zu prognostizierten Maxima). Mitte Monat könnte es nach derzeitigen Modelltrends aber erneut zu einem Kälteausbruch kommen.
Regional viel Schnee
Mit Temperaturen von –10 bis –5 Grad ist es an der Südküste Norwegens zwar nicht extrem kalt, dafür sorgte Sturmtief Hank in den vergangenen drei Tagen für praktisch durchgehende Schneefälle. Ortschaften wie Risør, Grimstad und Arendal sind unter einer Neuschneedecke von mehr als einem Meter eingegraben, öffentliche Schulen bleiben geschlossen. Nachfolgender Tweet illustriert die Winterlandschaft wunderbar.
After almost 3 days without interruption, the snowstorm is coming to an end in southern #Norway ! The towns of Risør, Grimstad and Arendal are buried under 100 cm of #snow! Schools are closed. @Francois_Jobard
— Thierry Goose (@ThierryGooseBC) January 3, 2024
Source: https://t.co/tT5oDwroN4 pic.twitter.com/Y31MBp5CnY
Schon seit längerer Zeit unterdurchschnittlich kalt
Sowieso ist der skandinavische Raum seit einiger Zeit deutlich unterdurchschnittlich temperiert. Abgesehen von der Antarktis sticht die angesprochene Region mit Abweichungen zwischen –3 und –4 Grad deutlich hervor.
Abb. 2: Globale Temperaturabweichungen letzte drei Monate; Quelle: Climatlas
Ein möglicher Grund ist im mehrheitlich negativ geprägten NAO-Index zu finden. Typischerweise sind dann die Winter im Norden Europas eher kalt und trocken, im Mittelmeerraum hingegen eher milder und feuchter. Mehr Informationen und Hintergründe zum NAO-Index gibt es in diesem Blog.
Und bei uns?
Zwischen einem Hoch über Südskandinavien und einem Tief über Italien gelangt die kalte Polarluft ab dem Wochenende und in deutlich abgeschwächter Form auch zum Alpenraum. Nächste Woche erwarten wir bei uns mehrere Eistage (Tagesmaximum unter dem Gefrierpunkt) in Folge, gekoppelt mit einer teils zügigen Bise fühlt sich das Ganze dann ziemlich ungemütlich an. Genauere Angaben zu unserem Wetter finden sich im gestrigen Blog, auf unserer Webseite und auch im für morgen geplanten Wochenendausblick.
Abb. 3: Sinkendes Temperaturniveau am Beispiel von Zürich; Quelle: MeteoNews