Von der Adria bis nach Skandinavien werden derzeit rekordhohe Temperaturen verzeichnet. Ein Grund dafür findet sich in der vorherrschenden Druckverteilung über Europa. Wie werfen einen Blick auf bisher gefallene Rekorde, welche Auswirkungen solche hohen Temperaturen im Kombination mit ausbleibendem Niederschlag haben und wie es in den kommenden Tagen weitergeht.
Überblick
Um zu verstehen, weshalb es aktuell von Südosteuropa bis Skandinavien überdurchschnittlich warm bis heiss ist, lohnt es sich einen Blick auf die Druckverteilung über Europa zu werfen. Wie die nachfolgende Karte verdeutlicht, bestimmen einerseits der Tiefdruckkomplex über dem nördlichen Atlantik und den Britischen Inseln, andererseits ein kräftiges Hochdruckgebiet mit Zentrum über Finnland das Wetter. Auf der Nordhemisphäre bewirkt ein Tiefdruckgebiet (T) ein Windfeld gegen den Uhrzeigersinn, ein Hochdruckgebiet (H) im Uhrzeigersinn (siehe braune Pfeile). Dazwischen wird die heisse Mittelmeerluft weit nach Norden transportiert (weisser Pfeil).
Abb. 1: Druckverteilung über Europa von heute Mittag, farblich dargestellt ist die relative Topographie, ein Mass für die Temperatur der Luftmassen
Wie ungewöhnlich warm/heiss diese Luft im Osten Europas und bis nach Skandinavien ist, illustriert die nachfolgende Karte. Hier werden die Temperaturabweichungen des aktuellen Datums mit der langjährigen Norm (1981-2010) verglichen. Rote Farbtöne stehen für Gebiete mit überdurchschnittlichen, blaue für unterdurchschnittliche Temperaturen. Die grössten Abweichungen finden wir heute von Kroatien über Ungarn und weiter bis zu den Baltischen Staaten. Hier betragen die Anomalien verbreitet um oder sogar knapp über 10 Grad. Ein ähnliches Bild ergibt sich für den skandinavischen Raum (nur zum Teil dargestellt). In vielen weiteren Regionen liegen die Werte rund 4 bis 6 Grad über dem Klimamittel. Auch bei uns war der Juni bisher deutlich über dem Durchschnitt. Die vorläufige Monatsbilanz diesbezüglich findet man hier, die definitive Bilanz wird im Verlauf des Freitagvormittags pupliziert. Unterdurchschnittlich kühl ist es einzig in der Türkei und auf Teilen der Iberischen Halbinsel.
Abb. 2: Temperaturanomalien in Europa für heute Mittag verglichen mit der Klimanorm 1981-2010 (Quelle: Tropical Tidbits)
Bisherige Rekorde
Die ungewöhnlich hohen Temperaturen haben in diversen Ländern für neue Juni- oder gar absolute Rekorde gesorgt. Am vergangenen Samstag wurde die 30-Grad-Marke in Norwegen, Schweden, Finnland, Estland und Lettland zum ersten Mal in diesem Jahr erreicht. Tags darauf fiel bereits der erste Junirekord im norwegischen Gartland und Namsos mit jeweils 31.5 Grad. In der Nacht auf Montag wurde in Bodø (67°N) gar eine Tropennacht registriert. Dies ist in der am Polarkreis gelegenen Stadt doch sehr ungewöhlich und kam nach 1972 erst zum zweiten Mal seit Beginn der Aufzeichnungen vor. Am Montag wurden weitere Rekorde geknackt, so beispielsweise in Italien. Die 41.1 Grad in Pontassieve Remole (Toskana) und die 41.4 Grad in Deruta (Umbrien) bedeuten für beide Provinzen neue Junirekorde. Auch in Rom wurde der Junirekord von 40.7 Grad an der Station Macao egalisiert. Gestern (28. Juni) wurde der Rekord dann sogar um einen Zehntel überboten. Auch in Finnland fielen gestern die ersten Junirekord, so wurde beispielsweise am Flughafen von Pori 32.9 Grad gemessen, 1.5 Grad über dem bisherigen Rekord aus dem Jahr 1977. Am Freitag und Samstag dürften die Höchstwerte wohl noch etwas höher steigen. Geschichte wurde gestern auch in Tromsø geschrieben. Die norwegische Stadt auf knapp 70° nördlicher Breite verfehlte den Hitzetag mit 29.9 Grad nur knapp, dennoch wurde der bisherige Junirekord von 29.5 Grad übertroffen. Die durchschnittliche Juni-Tageshöchsttemperatur liegt übrigens bei 12.7 Grad.
Neue Juni-Landesrekorde wurden gestern auch in Kroatien (40.4 Grad in Knin) und in Slowenien (38.0 Grad in Podnanos) aufgestellt. Im nordafrikanischen Tunesien steigen die Temperaturen seit Tagen über die 45-Grad-Marke, gestern wurde die Rekordmarke von 48.7 Grad in Tozeur egalisiert – gleich heiss war es nur im letzten Jahr. Auch ein Blick zwischen Europa und Nordafrika lohnt sich, denn auch das Mittelmeer ist derzeit gebietsweise um bis zu 5 Grad zu warm. Maritime Hitzewellen sind meist weniger offensichtlich und klingen vielleicht nicht so spektakulär, haben aber genauso grosse Auswirkungen auf deren und unsere Umwelt.
Abb. 3: Temperaturanomalie im Mittelmeer verglichen mit 1982-2011 (Quelle: CEAM)
Weiterer Verlauf
Die hohen Temperaturen dürften auch in den kommenden Tagen weiterhin beständig bleiben. Um den Monatswechsel zieht zwar eine Kaltfront vom Alpenraum nach Osten, der kurzzeitige Temperaturrückgang dürfte aber nur von Österreich bis knapp zum Schwarzen Meer zu spüren sein. Bereits im Verlauf der ersten Juliwoche werden für Südosteuropa erneut Temperaturanomalien von teilweise über 10 Grad erwartet. In weiten Teilen von Skandinavien bleiben die Temperaturen vorläufig auf rekordhohem Niveau.
Auswirkungen
In der aktuellen Situation sind nicht nur die hohen Temperaturen ein Problem, mancherorts wirken sich auch die teils seit Monaten fehlenden oder unterdurchschnittlichen Niederschlagssummen negativ auf wichtige Wirtschaftsbereiche wie die Land- oder Energiewirtschaft aus. In Teilen von Italien herrscht die schlimmste Dürre seit 70 Jahren, der Pegel des Po ist rund 3 Meter unter dem für die Jahreszeit üblichen Stand. Gebietsweise hat es seit mehr als 110 Tagen nicht mehr geregnet, in einigen Gemeinden wird Trinkwasser per Tanklaster angeliefert. Kleinere Kraftwerke in Piacenza (südöstlich von Mailand) mussten bereits abgeschaltet werden, in Einmündungsbereich fliesst Salzwasser der Adria flussaufwärts und führt so zu einer Versalzung von landwirtschaftlich genutzten Flächen. Allgemein wird in gewissen Regionen mit Ernteeinbussen von 30 bis 40 % gerechnet. Um dem entgegenzuwirken, wird ein kontrovers diskutiertes Abpumpen des Gardasees gefordert, denn auch sein Pegel liegt bereits rund 60 Zentimeter zu tief – und der Sommer steht erst noch bevor.
Übrigens wird die Hitze durch die fehlende Bodenfeuchte weiter verstärkt. Normalerweise wird die eintreffende Sonnenstrahlung nämlich sowohl für das Erwärmen der bodennahen Luftmassen (sensible Wärmefluss), als auch für die Verdunstung von Wasser (latenter Wärmefluss) genutzt. Fehlt nun Letzteres, wird die gesamte Sonnenenergie in fühlbare Wärme transformiert, die Temperaturen steigen an.
Abb. 4: Der teilweise ausgetrocknete Po bei Boretto (Quelle: Sandro Orlando)