Im Spätherbst und Winter richten sich die Augen immer wieder auf den stratosphärischen Polarwirbel. Ausprägung und Verhalten haben mit zeitlicher Verzögerung auch auf die eigentliche Wetterschicht – die Troposphäre – einen Einfluss. Zudem wurden am 5. November vom ECMWF und der NOAA die neuesten Langfristprognosen für die Wintermonate veröffentlicht.
In den kommenden Wochen intakter Polarwirbel
Aktuell ist der Polarwirbel "gesund". In seinem Zentrum liegen die Temperaturen auf dem 10 hPa Niveau zurzeit bei etwa -76 Grad, in diesem Bereich werden sie sich nach aktuellen Prognosen auch in den kommenden Wochen bewegen.
Abb. 1: Aktuell intakter Polarwirbel, Temperatur in ca. 30 km Höhe (10 hPa Niveau, GFS); Quelle: meteociel.fr
Das den Polarwirbel umgebende Westwindband ist ebenfalls gut ausgeprägt. Bis weit in den Dezember hinein wird sich daran wohl nur wenig ändern. Die allermeisten Modell-Member (siehe unten) zeigen weiter anhaltende Westwinde, es gibt nur wenige Ausreisser. Ein Sudden Stratospheric Warming ist also in nächster Zeit sehr unwahrscheinlich.
Abb. 2: Prognostizierter Index des mittleren zonalen Windes auf dem 10 hPa Niveau. Positiv bei Westwind, negativ bei Ostwind; Quelle: ECMWF
Dies bewirkt, dass auch ein Stockwerk tiefer in der Troposphäre sich die kälteste Luft mehr in den hohen Breiten konzentriert, extreme Kaltluftausbrüche bis weit nach Süden sind dadurch unwahrscheinlicher. Der Polarjetstream bleibt relativ kräftig, das Wetter entlang der Polarfront dynamisch. Für West- und Mitteleuropa würde dies im Mittel atlantisches Westwindwetter bedeuten (wechselnde Strömungsmuster zwischen Südwest- und Nordwest). Schon zuletzt bildeten sich über dem Nordatlantik immer neue starke Tiefdruckgebiete, dieses tiefdruckbestimmte Wetter scheint sich mittelfristig auch tatsächlich fortzusetzen.
Die neuen seasonal forecasts von ECMWF und NOAA
Vorgestern wurden die neuen Saisonprognosen veröffentlicht, und auch sie scheinen diesen Trend nun zu bestätigen. Zum Verständnis: Dabei handelt es sich um keine konkrete Wetterprognose, sondern um ein grossräumiges und langfristiges Abschätzen von Strömungs- und Druckmustern. Dies geschieht auf globaler und kontinentaler Ebene, und zwar für die Abweichung verschiedener Parameter gegenüber dem klimatischen Mittel. Es ist dies nur ein grober Trend! Hier nun also ein Vergleich der neuesten Daten von ECMWF und NOAA für die Anomalien von Luftdruck, Niederschlägen und Temperatur für die Monate Dezember, Januar und Februar (also den meteorologischen Winter).
Tiefdruckbestimmt
Die anhaltend rege Tiefdrucktätigkeit über dem Nordatlantik spiegelt sich auch bei den langfristigen Saisonprognosen wider. Der Luftdruck bleibt in diesem 3-Monatszeitraum also tendenziell tiefer als im langjährigen Mittel. Die stärkste negative Abweichung sehen beide Modelle im Nordwesten. (Der Vergleichszeitraum ist leicht unterschiedlich: Basis bei ECMWF 1993-2016, bei den NOAA Daten 1984-2009).
Abb. 3: Abweichung des Luftdrucks gegenüber dem langjährigen Mittel in Europa für die Monate Dezember, Januar und Februar (ECMWF); Quelle: ECMWF
Abb. 4: Abweichung des Luftdrucks gegenüber dem langjährigen Mittel in Europa für die Monate Dezember, Januar und Februar (CFSv2, NOAA); Quelle: tropicaltidbits.com
Mehr Niederschläge
Im Mittel häufiger tiefdruckbestimmtes Wetter bedeutet auch tendenziell mehr Niederschläge, und auch das zeigt sich in den Langfristprognosen. Die Monate Dezember, Januar und Februar werden danach etwas zu nass. Ob Regen oder Schnee, darüber treffen diese Abbildungen keine Aussage. Zumindest in den Hochalpen sind demnach aber überdurchschnittliche Schneemengen zu erwarten.
Abb. 5: Abweichung der Niederschläge gegenüber dem langjährigen Mittel in Europa für die Monate Dezember, Januar und Februar (ECMWF); Quelle: ECMWF
Abb. 6: Abweichung der Niederschläge gegenüber dem langjährigen Mittel in Europa für die Monate Dezember, Januar und Februar (CFSv2, NOAA); Quelle: meteociel.fr
Zu mild
Bei den Temperaturen zeigen ECMWF und das CFSv2 der NOAA ein ähnliches Bild, der Winter in Europa wird demnach zu mild. Dabei ist die positive Abweichung im Südwesten und Nordwesten vergleichsweise gering, sonst aber stark ausgeprägt.
Abb. 7: Abweichung der Temperatur gegenüber dem langjährigen Mittel in Europa für die Monate Dezember, Januar und Februar (ECMWF); Quelle: ECMWF
Abb. 8: Abweichung der Temperatur gegenüber dem langjährigen Mittel in Europa für die Monate Dezember, Januar und Februar (CFSv2, NOAA); Quelle: tropicaltidbits.com