Zwischen dem 3. und 4. April 1974 kam es in den USA zur bis zu diesem Zeitpunkt grössten Tornado Serie seit Beobachtungsbeginn. Binnen 24 Stunden zogen 148 Tornados durch 13 Bundesstaaten.
Ein Jahrhundert-Ereignis
Der Super-Outbreak von 1974 ereignete sich am Ende eines sehr starken La Niña. Am 1. April bildete sich über den Plains ein kräftiges Tief, welches sich allmählich ostwärts verlagerte. Auf seiner Vorderseite wurde feuchte-warme und labil geschichtete Luft nach Norden geführt, auf seiner Rückseite kalte Luft nach Süden. Schon am 1. und 2. April bildeten sich erste F2 und F3 Tornados, welche auch mehrere Todesopfer forderten. Am 3. April erstreckte sich ein ausgeprägter Trog über weite Teile der USA, die östliche Landeshälfte lag im Bereich einer südwestlichen Höhenströmung (siehe Abbildung 1).

Abb. 1: Wetterlage am 3. April 1974; Quelle: NOAA
Der Super-Outbreak 1974 begann um ca. 13 Uhr in Morris, Illinois. Mit Fortdauer des Tages nahm die Aktivität stetig zu, die Tornados wurden intensiver und die Zugbahnen länger. Mit 148 bestätigten Stürmen war es der bislang stärkste Outbreak. Erst der Super-Outbreak 2011 produzierte zwischen dem 25. und 28. April mit 216 Tornados noch mehr Stürme. Trotzdem bleibt das Ereignis 1974 einmalig, denn binnen 24 Stunden bildeten sich allein 30 Tornados der beiden höchsten Kategorien, darunter 23 F4 und 7 F5. Diese Anzahl an F5 Tornados an einem einzelnen Tag ist bis dato unerreicht, 2011 waren es "nur" 4 (nach der damals schon angepassten EF Skala). Oft bildet sich viele Jahre lang kein Sturm dieser Kategorie, letztmals wurde der Moore-Tornado im Jahr 2013 als EF5 gewertet!
Der erste F5 bildete sich um ca. 15:20 Ortszeit, es handelt sich um den Depauw/Daisy Tornado. Er forderte 6 Todesopfer. Der nächste traf um 16:30 auf die Stadt Xenia in Ohio (Abbildung 2). Er verursachte enorme Schäden, 36 Menschen verloren ihr Leben.
Etwas später zog ein weiterer F5 durch Brandenburg in Kentucky, 31 Menschen starben. Beim nächsten F5 handelt es sich um den Cincinnati/Sayler Park Tornado in Ohio. Besonders schlimm erwischte es die Gemeinde Tanner in Alabama. Sie wurde in kurzer Folge von gleich zwei F5 Tornados getroffen. Etliche Helfer und Überlebende des ersten Sturms wurde beim zweiten getötet. Der letzte F5 der Serie zog über eine Strecke von 128 km und zerstörte dabei unzählige Gebäude vollständig. Teilweise waren nur noch die nackten Fundamente vorhanden (nach diesem Schadensbild erfolgt übrigens auch die nachträgliche Kategorisierung).

Abb. 3: Zugbahnen der verschiedenen Tornados beim Super-Outbreak 1974; Quelle: Evan Fisher (via Twitter)
Während eines Zeitraums von 18 Stunden waren durchgehend Tornados aktiv, am Höhepunkt der Serie sogar 15 gleichzeitig! Die technischen Hilfsmittel der Meteorologen waren damals noch deutlich einfacher – sowohl bezüglich Radar und Satelliten, als auch bei der Kommunikation. Dazu kamen im Zuge der Zerstörungen grossflächige Stromausfälle. In Indiana war es den Meteorlogen nicht mehr möglich, die verschiedenen Counties zu differenzieren. Sie setzten daher den gesamten Bundesstaat unter eine pauschale Tornado Warnung. Es war dies bis jetzt das erste und einzige Mal in den USA. Neben den Vereinigten Staaten starben auch in Windsor, Ontario/Kanada bei einem F3 Tornado 30 Menschen. Insgesamt waren an diesen beiden Tagen, je nach Quelle, 315 bis 330 Todesopfer zu beklagen. Die geschätzten Schäden belaufen sich nach heutiger Rechnung auf ca. 3,5 Milliarden Dollar.
Aktuelle Situation
Bereits letzten Freitag zogen dutzenden Tornados über die USA, laut NOAA gingen 132 reports ein (weitere Informationen gibt es auch im Blog von letzter Woche). Die Untersuchungen laufen allerdings noch, für eine abschliessende Bilanz ist es diesbezüglich noch zu früh. Nach aktuellen Meldungen verloren bislang 24 Menschen ihr Leben, viele liegen noch im Krankenhaus. Heute Dienstag und vor allem auch in der kommenden Nacht droht sich das zu wiederholen, die Ausgangslage ist fast eine Kopie vom vergangenen Freitag. Es ist zu befürchten, das viele Gebiete innerhalb von ein paar Tagen ein weiteres Mal betroffen sein werden.

Abb. 4: Wahrscheinlichkeit für die Tornadobildung heute Dienstag, 4. April 2023; Quelle: NOAA