Speziell während des Frühlings und Frühsommers bilden sich in Nordamerika in mehr oder weniger grosser Regelmässigkeit starke Unwetter mit Tornados. Während die meisten dieser Ereignisse "bloss" eine Handvoll Tornados produzieren, kann es bei einer für die Stürme idealen Konstellation der Druckverteilung, Windscherung und Feuchtigkeit zu Extremereignissen kommen. Den bis heute verheerendsten und sehr tödlichen Tornado-Outbreak gab es vor genau 12 Jahren. Dabei bildeten sich innert 4 Tagen 362 Tornados!
Wetterlage
Der Super-Outbreak wurde durch ein kräftiges Höhentief verursacht, welches am 25. April in die Southern Plains (Texas, Kansas, Oklahoma sowie Teile von Nebraska, Colorado und New Mexiko) zog. Im Vorfeld dieses Höhentrogs entwickelte sich zudem ein extratropisches Tief und bewegte sich in der Folge nach Nordosten. Damit waren also die "Hauptzutaten" für ein grosses Unwetterereignis gegeben. Einerseits wurde nämlich feucht-labile Luft vom Golf von Mexiko nordwärts geführt, andererseits sorgte der Trog für die nötigen Hebungseffekte und diente damit als Initialzündung für die Bildung von Superzellen. Hinter dem Trog brachte ein sehr starker Jetstream in mittleren Schichten der Troposphäre (Windgeschwindigkeiten zwischen 150 und 180 km/h) zusätzlich eine starke Windscherung. Die Gewitterzellen begannen zu rotieren.
Chronologie einer Katastrophe
In den Tagen vor dem Unwetterausbruch wurde durch das Storm Prediction Center (SPC) eine mehrtägige Gefahr von schweren Stürmen mit starken Tornados und grossem Hagel vorhergesagt. Im Verlauf des 25. Aprils bildeten sich erste Superzellen, welche zugleich Tornados produzierten. Eine bestehende Tornadowarnung wurde bald durch eine Tornadowarnung von "besonderer Gefährlichkeit" ersetzt (particularly dangerous situation). Betroffen waren die Bundesstaaten Arkansas, Missouri, Oklahoma, Texas und Louisiana. Der verheerendste Tornado traf an diesem Tag die Stadt Vilonia und führte hier zu vier Todesfällen. Insgesamt wurden für den ersten Tag des Super-Outbreaks 42 Tornados und fünf Todesfälle gezählt.
Für den 26. April wurde für die gleiche Region eine Unwetterwarnung der höchsten Stufe (high risk, Stufe 5 von 5) herausgegeben. Ein negativ-gerichteter Höhentrog (Trogachse von Nordwesten nach Südosten) führte zur Bildung von zwei Bodentiefs. Das eine Tief zog in nordöstlicher Richtung entlang des Mississippis nach Wisconsins und lies auf seinem Weg mehrere Tornados entstehen. Die meisten waren verhältnismässig eher schwach und zerstörten insbesondere landwirtschaftliche Gebäude, trafen aber glücklicherweise keine grösseren Ortschaften. Allerdings sorgte auch der bis zu 5 Zentimeter grosse Hagel für einige Schäden. Das zweite Bodentief bildete sich weiter südlich über Texas und "profitierte" von den günstigeren atmosphärischen Bedingungen. Es konnte sich weiter vertiefen und diverse Tornados produzieren. Der stärkste wurde als EF3 gewertet und wies demnach Windspitzen bis 260 km/h auf. An diesem Tag kam es trotz 55 Tornados zum Glück zu keinen Todesfällen.

Abb. 1: Tornadospuren auf einem Stück offenem Land; Quelle: NOAA National Weather Service
Ganz anders sah dies am Folgetag aus. Das grösste Unwetterpotenzial verschob sich verglichen mit den ersten beiden Tagen weiter nach Osten. Nach einer ersten Tornadoserie in den Morgenstunden, bildeten sich im Verlauf des Nachmittags immer mehr und stärkere Gewitterzellen. Diese läuteten den Höhepunkt des Super-Outbreaks ein. Gebietsweise wurde durch das SPC nebst der höchsten Warnstufe für Unwetter auch eine äussert seltene und hohe Tornadowarscheinlichkeit von 45% innerhalb eines 25-Meilen-Radius herausgegeben – zu Recht. Ab Mitte Nachmittag explodierten die Gewitterzellen regelrecht. Bis zum späten Abend wurden 207 Tornados gezählt, wovon 70 als starke Tornados (EF2+) gewertet wurden. Alleine an diesem Tag starben 316 Personen, rund 3000 wurden teilweise schwer verletzt. Erwähnenswert sind die vier EF5-Tornados. Diese weisen Windspitzen von mindestens 320 km/h auf, wobei gewisse deutlich darüber waren. Eine exakte Bestimmung ist allerdings nicht ganz einfach, denn einerseits ist das Windfeld sehr klein und die Wahrscheinlichkeit eines vorhandenen Windmessinstruments in diesem Bereich demnach extrem gering. Andererseits würden die meisten Messgeräte bei solchen Winden sowieso zerstört werden. Vielfach wird anhand des angerichteten Schadens auf eine maximale Windgeschwindigkeit geschlossen (und demnach auch der Tornado kategorisiert). Heutzutage können auch mit der Dopplertechnik der Radarsysteme die ungefähren Windspitzen abgeschätzt werden.

Abb. 2: Reste eines Fundaments nach einem EF5-Tornado in Hackleburg; Quelle: NWS Birmingham
Am 28. April verlagerte sich die aktive Zone weiter in Richtung der Ostküste. Von Georgia im Süden bis nahe der Grenze zu Kanada bildeten sich weitere Tornados. Die meisten der 40 Tornados waren schwächer, trotzdem starben an diesem Tag noch einmal 3 Menschen.
Bilanz und Einordnung
EF5 Tornados sind sehr selten und treten statistisch nur alle paar Jahre einmal auf. Den letzten gab es 2013 in Moore/Oklahoma. Vier an einem Tag ist extrem aussergewöhnlich, es ist der zweithöchste Wert für einen einzelnen Tag nach dem bis dahin schwersten Super-Outbreak zwischen dem 3. und 4. April 1974. Damals wurden innert 24 Stunden sogar sieben EF5 Tornados registriert.
Gesamthaft kamen über den gesamten Zeitraum 324 Menschen ums Leben, mehr als 3000 wurden verletzt. Von den 362 Tornados waren 31 tödlich und richteten Schäden in der Höhe von 12 Milliarden US-Dollar an. Mit Ausnahme des 1936 Tupelo–Gainesville Tornado-Outbreak war die Todeszahl in einer 24-Stunden-Spanne nie höher als am 27. April 2011. Damals waren aber auch die technischen Möglichkeiten zur Frühwarnung nicht gegeben. Während des 2011-Super-Outbreaks betrug die durchschnittliche Vorlaufzeit rund 24 Minuten und rettete so vielen Menschen das Leben. Übrigens, der weltweit tödlichste Tornado jährt sich exakt heute zum 34. Mal und forderte damals in Bangladesh 1300 Menschenleben.

Abb. 3: Übersicht aller Tornados vom 25.-28. April 2011; Quelle: U.S. Tornados
Der April 2011 war nicht nur aufgrund jenes Outbreaks geschichtsträchtig. Insgesamt wurden im ganzen Monat 751 Tornados gezählt, was die bisherige Spitzenzahl von 542 Tornados innert Monatsfrist bei weitem übertraf (Mai 2004). Typischerweise dauert die Tornadosaison in den USA von März bis Juni.