Im Westen und Südwesten der USA herrscht seit vielen Jahren eine ausgeprägte Dürre, Waldbrände von gewaltigem Ausmass und der zunehmende Wassermangel stellen ein immer grösseres Problem dar. Die Pegel der grossen Wasserspeicher und Seen lagen zuletzt bei historischen Tiefstständen. Trotzdem gibt es zwischendurch Phasen, in denen sich die Trockenheit ins absolute Gegenteil verkehrt. So auch wieder dieser Tage!
Zwischenbilanz der heftigen Regenfälle
Die extremen Regenfälle in Kalifornien haben in den vergangenen Tagen für Überschwemmungen, Hangrutschungen und teils rekordhohe Abflussmengen geführt. In der Woche vom 3.-10. Januar fielen die grössten Niederschlagsmengen entlang der Küste und in den Bergen der Sierra Nevada. Wie die nachfolgende Karte zeigt, kumulierten sich hier verbreitet 8 bis 12 Inches (200 bis 300 mm), aber auch in dem sonst von Regenfällen meist verschonten Central-Valley (Sacramento- und San Joaquin-Valley) gab es teils mehr als 100 mm Regen. In den kommenden Tagen werden weiterhin starke Niederschläge erwartet, der Schwerpunkt dürfte sich aber zumindest vorübergehend etwas nach Norden bewegen. Nebst der Nordhälfte von Kalifornien (siehe rechte Karte, beachte die unterschiedlichen Farbskalen) sind so nun auch die beiden Bundesstaaten Oregon und Washington davon betroffen.

Abb. 1: Gemessene Niederschlagssummen der vergangenen 7 Tage (links) und die prognostizierten Niederschlagssummen der nächsten 6 Tage (rechts). Beachte, dass die Legende unterschiedlich ist. (Quelle: California Nevada River Forecast Center)
Seit Weihnachten sind in der Grossregion San Francisco rund 400 mm Regen gefallen, in Los Angeles immerhin knapp 250 mm und im meist nur randlich getroffenen San Diego um 80 mm. Die Niederschläge haben es zeitweise selbst ins Death Valley geschafft, mit gerade mal 10 mm blieben die Summen allerdings eher bescheiden. Am meisten geregnet oder geschneit hat es in der Sierra Nevada, dies aufgrund der oftmals direkten Anströmung und den davon resultierenden Hebungsniederschlägen. Eindrücklich sind daher auch die aktuell liegenden Schneemassen. So meldete beispielsweise das Central Sierra Snow Lab auf rund 2000 Metern eine Schneehöhe von rund 2.5 Metern. Betrachtet man sich die gefallenen und akkumulierten Schneesummen des laufenden hydrologischen Jahres (seit 1. Oktober 2022), dann fiel bereits 674 cm Schnee – deutlich über der Norm von rund 300 cm.

Abb. 2: Akkumulierte Schneefallsumme seit 1. Oktober auf dem Donner Pass in den Sierra Nevadas (Quelle: Central Sierra Snow Lab)
Aufgrund des vielen Niederschlags innert kurzer Zeit sind derzeit die Folgen wie Überschwemmungen, Hangrutschungen oder auch flächige Stromausfälle zu beobachten. Allerdings ist Kalifornien ja auch eine Region, welche für gewöhnlich von grosser Trockenheit betroffen ist. Diese Regenfälle sorgen nun sicherlich für eine gewisse Entspannung jener Situation, allerdings muss sich zeigen, wie viel des Regenwassers gespeichert werden kann. Derzeit füllen sich die meisten Reservoirs, viele sind aber weiterhin unter der historischen Durchschnittsmarke.

Abb. 3: Aktueller Stand der Wasserreservoirs in Kalifornien (Quelle: California Department of Water Resources)
Auch ein Blick auf den aktuellsten Dürremonitor von der ersten Januarwoche zeigt verglichen mit der Vorwoche eine leichte Rückstufung des Dürregrades. Neu finden sich in Kalifornien keine Regionen mehr in einer "exceptional drought". Das nächste Update vom kommenden Donnerstag wird eine weitere Entspannung zeigen.

Abb. 4: Aktuelle Dürresituation im Westen der USA. Situation Anfang Januar (links) verglichen mit Ende Dezember (rechts). (Quelle: U.S. Drought Monitor)
Wieso regnet es so viel?
Der Hauptgrund der seit Wochen anhaltenden und schubweise auf Land treffende Fronten ist der zonal verlaufende Jetstream. Dabei bilden sich klassischerweise im rechten Einzugs- und linken Auszugsgebiet eines Jetstreak (Zone innerhalb des Jetstreams mit den stärksten Winden, rechts/links bezieht sich aus der Sicht des Windes) fortlaufend Tiefdruckgebiete. Dies ist auch auf der nachfolgenden Karte für kommenden Freitag sichtbar. Einerseits eine von West nach Ost verlaufende Grundströmung und jeweils ein Tiefdruckgebiet im Nordosten (Kerndruck 986 hPa) und im Südwesten (Kerndruck 1009 hPa) des Jetstreaks. Es wird also auch in den kommenden 7 bis 10 Tagen entlang der US-Westküste immer wieder nass sein.
Ein ganz ähnliches Muster ist übrigens auch in Nordeuropa zu beobachten und führt bei uns zu dem wechselhaften Wettercharakter der letzten und auch kommenden Tagen mit diversen Frontdurchgängen. Mehr Informationen und wie dies mit dem stratosphärischen Polarvortex zusammenhängt finden sich in einem kürzlich veröffentlichen Blog.

Abb. 5: Prognostizierte Winde auf 250 hPa Höhe (rund 10 km Höhe) für kommenden Freitag. Der violette Bereich zeigt die Region des stärksten Windbandes (dem Jetstreak) an. (Quelle: tropicaltidbits.com)
Schon zuletzt viel Regen
Seit Weihnachten gab es in Kalifornien immer wieder kräftigen Regen, so fielen beispielsweise zum Jahreswechsel in San Francisco innerhalb von 24 Stunden 139 mm Regen, es ist dies hier die zweitgrösste 24 Stundensumme seit Messbeginn. Die Folge waren Überflutungen und Hangrutsche. Grossflächig liegen die Niederschlagsmengen seit Ende 2022 zwischen 100 und 250 mm. In der Sierra Nevada fielen zum Teil schon 1 bis 2 Meter Schnee, oft verfrachtet durch die starken bis stürmischen Winde.
Massives Sturmtief mit rapidem Druckfall
Nun hat sich über dem Nordpazifik ein weiteres Sturmtief gebildet. Die Entstehung eines Tiefs nennt man in der Meteorologie ganz allgemein auch Zyklogenese (ein Tief - auch ein schwaches - ist eine Zyklone, ein Hoch eine Antizyklone). In diesem Fall handelt es sich um eine Bombogenese, eine besonders rapide Form der Verstärkung. Der Luftdruck muss dafür um 24 hPa oder mehr in 24 Stunden fallen. Dabei bitten wir aber mit den Begrifflichkeiten vorsichtig umzugehen. Im Englischen werden solche sich aussergewöhnlich schnell verstärkenden Sturmtiefs als "bomb cyclone" bezeichnet. Man kann das etwas reisserisch als Bomben-Zyklone übersetzen, die Wortschöpfung Bombenzyklon ist allerdings falsch. Denn ein Zyklon ist und bleibt ein tropischer Wirbelsturm im Indischen Ozean und Südwestpazifik.

Abb. 1: Satellitenaufnahme des Sturmtiefs vom 3. Januar, hier noch über dem offenen Pazifik..
Dieses Orkantief führt an seinem Süd- und Südwestrand grosse Massen an mit Feuchtigkeit gesättigter Luft an die Westküste der USA – ein sogenannter atmosphärischer Fluss. Dabei handelt es sich um einen schmalen Bereich mit sehr viel niederschlagbarem Wasser (ppw, siehe auch https://met.to/xqz ), der wie eine Art Förderband fungiert. In vielen Fällen nehmen diese "Regenförderbänder" ihren Ursprung weit westlich über dem Pazifik. Teilweise sogar bei Hawaii, weshalb solche Ereignisse umgangssprachlich auch als Pineapple Express oder Kona-Storm bezeichnet werden. Ein letzte vergleichbare Wetterlage gab es hier beispielsweise im Oktober 2021. Zu Beginn eines solchen Niederschlagsereignisses vermögen die ausgetrockneten Böden den Regen nur schwer aufzunehmen, anfangs rinnt noch sehr viel oberflächig ab. Dazu kommt die stark beeinträchtigte Vegetation, besonders Bäume sind durch die langjährige überlagerte Trockenheit geschwächt. Inzwischen sind die Böden aber schon gesättigt, der Regen der nächsten Zeit kann nicht mehr aufgenommen werden. Es drohen weitere Überschwemmungen, Hangrutsche und Schlammlawinen. Der zuvor knochentrockene, nun aber durchweichte Boden bietet dem Wurzelwerk geschwächter Bäume weniger Halt – sie können dem starken bis stürmischen Wind nun viel weniger Widerstand leisten. Schon jetzt kommt es zu grossflächigen Stromausfällen durch umgestürzte Baume und dadurch beschädigte Leitungen.
Abb. 2: Aktuelle Übersichtskarte der Stromausfälle in Kalifornien (Quelle: poweroutage.us)

Abb. 3: Akkumulierte Niederschläge bis Sonntag, 14. Januar 18 UTC (ECMWF)
Regen wäre gut und wichtig, allerdings überwiegen die Probleme, wenn alles auf einmal fällt. Vom einen Extrem in das andere! Atmosphärische Flüsse und die Wetterkapriolen in Kalifornien werden so in den kommenden Tagen mit Sicherheit in den Schlagzeilen bleiben.