2022 war wettermässig aussergewöhnlich und hinterlässt grosse Spuren in den meteorologischen Annalen. Bei uns in der Schweiz ist es das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen! Den Weg dahin möchten wir hier noch einmal Monat für Monat kurz nachskizzieren, denn auch abseits der Temperaturen gab es etliche Besonderheiten. Heute macht Teil 1 mit der ersten Jahreshälfte den Anfang, morgen folgt dann Teil 2.
Januar: Teilweise viel zu trocken und zu sonnig
Bezüglich Temperaturen war der vergangene Januar wenig auffällig und so ziemlich in der Norm. Die höchste Temperatur konnte dabei am 30.1. in Lugano mit 21,4 Grad registriert werden, im Norden war es mit 19,5 Grad am 4. Januar in Gersau am mildesten. Bemerkenswert ist, dass es im Flachland und in den tieferen Alpentälern teilweise über 25 Tage mit Minima unter 0 Grad gab (Frosttage), dafür aber vielerorts kaum keinen Eistag.
Bezüglich Niederschlag ergab sich im Januar verbreitet ein teilweise grosses Defizit und damit auf den Bergen stark unterdurchschnittliche Schneemengen. Ausgeprägt war die Trockenheit dabei auf der Alpensüdseite. In Lugano gab es im Januar nur 9,1 mm Regen, das sind satte 86% weniger als normal. In Samedan konnte sogar nur 1,9 mm Niederschlag oder 94% weniger als normal registriert werden.
Da das Wetter im vergangenen Januar häufig hochdruckbestimmt war und kaum Störungen durchzogen, schien die Sonne verbreitet häufiger als normal. In absoluten Sonnenstunden war es dabei im Tessin am sonnigsten.
Abb. 1: Hochdrucklagen mit vor allem auf den Bergen viel Sonnenschein prägten den Januar
Einen extremen Sturm gab es im Januar nicht, in der ersten Dekade und am letzten Tag des Monats konnten auf den Jurahöhen und in den Bergen aber lokal Orkanböen und im Flachland sowie in den Alpentälern teilweise Sturmböen von 75 km/h und mehr verzeichnet werden.
Februar: Zu mild und im Süden massiv zu trocken, teilweise ziemlich windig
Der Februar war verbreitet rund 1.5 bis 3 Grad zu mild. Der Hauptgrund dafür war ein gut ausgebildeter Polarwirbel, wodurch sich ein starker Jetstream über Mitteleuropa bilden konnte. Das Resultat war mildes Westwindwetter mit immer wieder nördlich von uns durchziehenden Tiefs. Wie an einer Perlenschnur kamen dabei Sturmtiefs vom Atlantik nach Europa herangezogen und sorgten immer wieder für milde Phasen. Mit zumeist westlichen Höhenwinden wurde es bei uns im Flachland nie richtig kalt. Die höchsten Temperaturen im vergangenen Februar konnten dabei im Süden mit Nordföhn am 17. in Biasca mit 21.1 Grad und im Norden am 18. in Boltigen im Obersimmental mit 19.2 Grad gemessen werden.
Mit den vorherrschenden Westwindlagen zogen im vergangenen Februar immer wieder Fronten über die Nordschweiz, der Süden war dagegen gegenüber den Westwinden geschützt, sodass es vielfach trocken blieb. Als Folge resultierte ein massives Niederschlagsdefizit auf der Alpensüdseite, aber auch teilweise in den Walliser Südtälern. Im Flachland der Alpennordseite ergibt sich dagegen kein einheitliches Bild, entlang der Alpen war es zu nass. Auf den nördlichen Bergen gab es über den gesamten Monat gesehen viel Neuschnee, der das Schneedefizit vom Januar etwas minderte.
Trotz des dynamischen Wetters schien zwischendurch auch häufig die Sonne, nur in gewissen Nordstaulagen tat sie sich zum Teil etwas schwerer. Zumeist gab es 20% bis 50% mehr Sonne als üblich.
Roxana, Sandra, Ylenia, Zeynep und Antonia. Diese Sturmtiefs hinterliessen vor allem in Nordwest- und Nordeuropa sowie in Teilen von Mitteleuropa ihre Spuren. In der Schweiz kamen wir insgesamt noch glimpflich davon. Im Flachland erreichte der Wind während dieser Sturmphasen typischerweise zwischen 70 und 90 km/h, auf den Bergen gab es Orkanböen. Die höchsten Windgeschwindigkeiten gab es dabei am Gornergrat mit 179 km/h und 173 km/h auf dem Jungfraujoch.
Abb. 2: Orkan Zeynep richtete am 18. Februar vor allem in Norddeutschland grosse Schäden an
Im Süden blies mit Unterbrechungen immer wieder der Nordföhn, dabei gab es in Tälern typischerweise zwischen 50 und 80 km/h. Am 1. Februar gab es aber beispielsweise in Lugano mit 102 km/h einen neuen Monatsrekord.
März: Sonnig und trocken, dazu viel Saharastaub
Der März war ein Monat der Extreme, dies vor allem im Hinblick auf Sonnenschein und die lange Zeit nicht vorhandenen Niederschläge. In Erinnerung bleiben wird auch der zweimalige Gruss aus der Wüste in Form von Saharastaub. Nennenswerte Niederschläge waren im März lange Zeit eine absolute Rarität, vor allem in der Zentral- und Ostschweiz lag er bis zum 29. März sogar auf absolutem Rekordkurs. Zum Teil gab es hier bis dahin noch etliche Stationen ohne jeglichen Niederschlag. Neue Rekorde in negativer Hinsicht gab es etwa in Chur, am Säntis und in Vaduz – noch nie seit Aufzeichungsbeginn war es in einem März so trocken. Am Monatsende stellte sich die Wetterlage aber drastisch um. Das bis dahin prägende Hoch Peter baute sich ab, der Tiefdruckeinfluss nahm zu. Dadurch gelangte auch wieder feuchtere Luft in den Alpenraum. Am Mittwoch dem 30. März zogen erste Schauerstaffeln durch, auch eingelagerte Gewitter waren dabei.
Bis auf wenige Ausnahmen schien auf der Alpennordseite die Sonne, nur zwischen dem 15. und 18. März gab es viele Wolken. Phasenweise trübte Saharastaub die Sicht. Unter dem Strich lag die Sonnenscheindauer im ganzen Land über der Norm, vielerorts war es sogar der sonnigste März seit Aufzeichnungsbeginn. Neue Rekorde gab es beispielsweise in Aarau, Luzern, St. Gallen und Zürich. Vaduz verfehlte einen neuen Allzeitrekord um nur 13 Minuten!
Abb. 3: Viel Saharastaub Mitte und Ende März
Zwischen dem 15. und 18. März erreichten grosse Mengen Saharastaub den Alpenraum. Verantwortlich war dafür ein Tief mit Zentrum vor der Iberischen Halbinsel und Marokko. Die Sicht wurde stark getrübt und das Licht teilweise intensiv verändert. Eine ähnliche Konstellation sorgte dafür, dass ab dem 29. März noch einmal viel Saharastaub zu uns ins Land gelangte. Der Staub lagert sich auf dem Schnee in den Alpen ab und wurde lange nicht wieder zugeschneit, dadurch erhöhte sich die Schmelzrate deutlich. Dies leistete auch einen Beitrag zum frühen ausapern der Gletscher im Sommer (oft schon Ende Juni), die Basis für das katastrophalste Gletscherjahr seit Beginn der glaziologischen Aufzeichnungen im Alpenraum.
April: Wechselhaft und etwas zu kühl
Der April machte seinem Namen alle Ehre und präsentierte sich sehr launisch. So reichte seine Spanne von fast schon winterlichen Phasen mit Frost und Schnee bis hin zu sonnigen und frühsommerlich anmutenden Abschnitten. In Zürich beispielsweise war es vom 1. bis zum 4. April kalt mit Maximaltemperaturen unter 10 Grad und vom 2. bis zum 4. April auch frostigen Minima. Zudem gab es noch einmal Schnee bis in tiefe Lagen, es wurde recht verbreitet weiss. Problematischer als der Schnee war aber der Frost, der die früh blühenden Obstbäume kalt erwischte.
Abb. 4: Später Schnee und Frost, ein Problem für die blühenden Obstbäume
Danach wurde es milder, zwischen dem 12. und 15. April sogar schon fast frühsommerlich warm. Am 12. April gab es mit 25,9 Grad in Chur dann auch den ersten offiziellen Sommertag des Jahres. Unter dem Strich resultierte dann aber doch verbreitet ein leichtes Temperaturdefizit.
Mai: Aussergewöhnlich warm
Der Mai zeigte dann wieder das komplette Gegenteil! Er brachte überdurchschnittlich viele Sommer- und auch erste Hitzetage, bezüglich der Temperaturen spielte dieser "Wonnemonat" tatsächlich in einer eigenen Liga! Er reizte definitiv das aus, was bei uns um diese Jahreszeit möglich ist. In Zürich beispielsweise gab es 9 Sommertage und auch einen ersten Hitzetag mit mehr als 30 Grad. In Genf waren es 15 Sommer- und 2 Hitzetage. In Locarno wurde die Sommermarke von 25 Grad an 17 Tagen überschritten. Lange Zeit lag der Mai 2022 auf absolutem Rekordkurs, erst die kühleren Temperaturen am Monatsende zogen den Schnitt wieder leicht nach unten. Trotzdem war es mit einem Temperaturüberschuss von 2,6 Grad gegenüber der neuen Klimanorm (1991-2020) schweizweit der zweitwärmsten Mai seit Beginn der Aufzeichnungen!
Abb. 5: Höchsttemperaturen am 19. Mai 2022, an etlichen Stationen über 30 Grad
Der Mai war aber nicht nur ungewöhnlich warm, sondern auch trocken. Besonders auffällig war dies in der Romandie, in Genf fielen beispielsweise nur 20% des sonst üblichen Niederschlags. Allerdings gab es zum Teil kräftige Regengüsse und Gewitter, welche in kurzer Zeit grosse Regenmengen brachten – dies aber räumlich begrenzt. Vor allem den Einwohnern von Turbenthal dürfte das Gewitter vom 5. Mai in Erinnerung bleiben. An einer inoffiziellen Messstation in Zell fielen innerhalb von wenigen Stunden knapp 100mm Niederschlag, also fast die gesamte zu erwartende Maisumme. Gleichmässigen, länger anhaltenden Landregen gab es selten.
Juni: Heiss mit kräftigen Gewittern
Bezüglich der Temperaturen ging es im Juni in dieser Tonart weiter, im langjährigen Vergleich war es der zweit- bis viertwärmste Juni seit Aufzeichungsbeginn. Nur der Juni 2003 war noch einmal deutlich wärmer. In der zweiten Dekade gab es eine grössere Hitzewelle; lokal wurde sogar die 35-Grad-Marke überschritten, was im Juni nur selten vorkommt. Stellenweise konnten am 19. Juni auch neue Junirekorde registriert werden. Die höchsten Temperaturen gab es mit 36.9 Grad in Beznau, mit 36.6 Grad in Biasca und mit 36.5 Grad in Neuenburg.
Abb. 6: Höchsttemperaturen am 19. Juni 2022
Bemerkenswert ist auch die Anzahl der Hitzetage, die im Mittelland zwischen 3 und 7 liegt. In Genf gab es gar 8 und in Sitten 9 Tage mit 30 Grad und mehr. Normal wären im Flachland etwa 1 bis 3 Hitzetage. Heiss war es aber nicht nur bei uns, sondern auch in Südwesteuropa.
Neben der ungewöhnlichen Hitze gab es auch immer wieder starke Gewitter. Diese zogen meist recht schnell, sodass die totalen Regensummen nicht extrem hoch waren, dafür konnten lokal kurzfristig sehr grosse Regenmengen registriert werden. So gab es Sturzfluten mit örtlich bis über 20 Litern Regen in 10 Minuten! Verbunden mit den Gewittern waren viele Blitze, kurzzeitig auch grössere Regenmengen, lokal Hagel und stürmische Böen. So liegt die totale Blitzanzahl bei knapp 124'000, wovon knapp 20'000 Blitze allein im Kanton Bern verzeichnet wurden.
Abb. 7: Gewitterstimmung über Basel am 30. Juni mit sich nähernder Hagelzelle