Tornados können bei entsprechenden Bedingungen ein Bestandteil von sogenannten Superzellengewittern sein. Sie bringen grosses Gefahrenpotenzial für Mensch und Tier. Während sie in Amerika häufiger vorkommen, sind sie in Europa seltener. Hier soll die Entstehung sowie die Auftrittswahrscheinlichkeit dieser Monster genauer angeschaut werden.
Wie entstehen Tornados?
Die Voraussetzung von Tornados sind schwere, länger anhaltende Gewitter (sogenannte Superzellengewitter). Überall wo es Gewitter gibt, kann es daher prinzipiell auch zu Tornados kommen. Die andere wichtige Bedingung ist die Anwesenheit einer ausreichenden Windscherung. Das heisst die Windstärke nimmt mit der Höhe zu, und die Windrichtung ändert mit der Höhe in der Atmosphäre. In den Tropen gibt es zwar viele und auch starke Gewitter, aber es tritt nur selten eine genügende Windscherung auf. In den mittleren Breiten ist die Kombination aus Windscherung und starken Gewittern öfters gegeben. Die Windscherung ermöglicht Gewitter mit rotierenden Aufwinden.
Stationäre Gewitter
Bei stationären Gewittern, also bei Gewittern ohne Windschwerung, zerstören die eigenen Fallwinde die Aufwinde des Gewitters. Warme, mit viel Feuchtigkeit aufgeladene Aufwinde sind für die Gewitterentstehung aber essentiell. Das Gewitter nimmt sich in diesem Fall die Energiezufuhr und fällt wieder in sich zusammen. Allerdings können die Fallwinde eines zu Ende gehenden Gewitters Turbulenzen auslössen, dadurch können neue Gewitterzellen induziert werden.
Gewitter mit Windscherung - Superzellen
Bei einer ausreichenden Windscherung werden die rotierenden Aufwinde von den Fallwinden getrennt, die resultierenden Gewitter (Mesozyklone oder auch Superzellengewitter genannt) zeichnen sich durch Langlebigkeit bis zu mehreren Stunden sowie durch heftige Begleiterscheinungen, wie Extremniederschlag, Hagel und Fallböen bis zur Orkanstärke aus. Nicht jede Superzelle bildet einen Tornado aus, im Schnitt sind es 10 bis 20 Prozent. Vielfach ist vor der Tornadoentstehung eine Absenkung der rotierenden Wolkenbasis, eine sogenannte Mauerwolke (Wallcloud) zu beobachten. Die Wolkenbasis sollte tief sein, höchstens ungefähr zwei Kilometer. Dadurch ist die Distanz zwischen Boden und Wirbelbildung nicht zu gross. Diese Mauerwolke beginnt zu rotieren, sobald die Aufwinde die Luft über die Scherungszone bringen. Die rotierende Luftsäule mit ihren starken Aufwinden wird weiter in die Höhe gezogen. Dadurch streckt sich die Luftsäule in die Länge, sie wird länger und dünner. Bei dieser Streckung kommt das physikalische Prinzip der Drehimpulserhaltung ins Spiel. Die Geschwindigkeit der Aufwinde innerhalb dieser Luftsäule nimmt bei der Streckung immer weiter zu. Genau wie beim Prinzip, wenn beim Pirouettendrehen die Arme an den eigenen Körper gezogen werden. Werden nämlich beim Drehen um die eigene Achse die Arme an den Körper herangezogen, dann beschleunigt sich die eigene Rotationsgeschwindigkeit.
Abb. 1: Visualisierung Drehimpulserhaltung (Quelle: Rolf Dober, Sportunterricht, 18.02.2022)
Tornados der Vergangenheit
Pro Jahr gibt es mehrere tausend Tornados auf der Erde. Die wenigsten schaffen es in die Medien und noch weniger bleiben im kollektiven Wettergedächnis hängen. Mit etwas Recherche finden sich aber schnell einige berühmt-berüchtigte Tornados, die die Zeitzeugen fassungslos zurückgelassen haben.
Der erste dokumentierte Tornado der Geschichte verursachte in Italien im Jahr 66 n. Chr. schwere Schäden. Nach der Beschreibung von Friedrich Schnurrer im Jahr 1823 handelte es sich um einen starken Tornado.
In Europa gibt es vor allem aus dem Spätmittelalter einige Berichte über schwere Tornados mit enormer Zerstörungskraft. In Mecklenburg riss ein Tornado im Jahr 1764 sogar mächtige Stümpfe von Bäumen aus dem Boden, die Bäume wurden erst wenige Wochen zuvor abgesägt.
Viele der weltweit tödlichsten Tornados sind in Bangladesch aufgetreten. Der wahrscheinlich tödlichste Tornado welchen es je gegeben hat, trat im Jahr 1989 in Bangladesch auf. Damals kamen innerhalb weniger Minuten zirka 1300 Menschen ums Leben.
Klassifizierung von Tornados
Die Stärke und Intensität eines Tornados kann zum Teil mittels Radar direkt während des Ereignisses festgestellt werden, wichtiger ist allerdings die Beurteilung des entstandenen Schadenmusters. In Europa werden Tornados offiziell zwar nach der TORRO-Skala klassifiziert, weitaus bekannter ist allerdings die in den USA gebräuchliche Enhanced-Fujita-Skala. Die schwächsten Tornados werden als EF0 klassifiziert, wobei meist nur kleine Schäden, wie abgebrochene Äste oder umgefallene Plakatwände resultieren. Ein EF2-Tornado mit Winden zwischen 178-217 km/h deckt bereits Dächer ab oder zerstört ganze Wohnmobile. Die stärksten Tornados (EF5, Winde von mehr als 322 km/h) machen Häuser dem Erdboden gleich. Die Enhanced-Fujita-Skala geht nicht höher als EF5, nach oben sind aber prinzipiell keine Grenze gesetzt. Die bisher stärksten Winde werden dem Bridge Creek-Moore-Oklahoma-Tornado von 1999 zugeschrieben, wobei mittels Doppler-Radar rund 480 km/h als Maximum bestimmt werden konnte! Die Häufigkeit von starken Tornados (EF3+) ist aber zum Glück nicht sehr hoch. Es wird nur rund jeder 50. Tornado als starker Tornado kategorisiert.
Tornadolage USA
Typischerweise werden Tornados mit den USA verknüpft. Und tatsächlich, sehr viele Tornados entstehen entweder in der berüchtigten Tornado-Alley oder der etwas weniger bekannten Dixie-Alley. Während die klassische Tornado-Alley den Mittleren Westen von Dakota bis Texas umfasst, werden Tornados der Südstaaten der Dixie-Alley zugeordnet (Louisiana bis Tennessee). Letztere ist bekannt für ihre regenumspannten (rain-wrapped) und daher oft schlecht sichtbaren Tornados. Ausserdem sorgt hier die hügelige Landschaft dafür, dass Tornados meist nicht über grössere Distanzen wandern können. In der Tornado-Alley hingegen ist grundsätzlich weniger Feuchtigkeit in der Luft, sodass oftmals photogene Exemplare entstehen. Pro Jahr werden in den USA rund 1200 Tornados gezählt, die meisten entstehen während der Tornadosaison im Frühling und Frühsommer (Hauptmonate Mai und Juni). In dieser Jahreszeit sind die Gegensätze zwischen warmer und feuchter Luft aus der Golfregion (Golf von Mexiko) und den kalten und meist trockenen Luftmassen vom Norden am grössten. An der Luftmassengrenze gibt es Turbulenzen und daher auch nicht selten starke Gewitter mit Tornados.
Abb. 2: Verteilung der Tornados in den USA. Dargestellt sind alle starken Tornado (mindestens EF3) zwischen 1950 und 2020. Quelle: tornadoarchive.com
Extreme
Einer der bekanntesten Tornados ist der Tri-State-Tornado, welcher die Bundesstaaten Missouri, Illinois und Indiana am 18. März 1925 durchzogen hat. Der wohl nachträglich als EF5 klassifizierte Tornado hatte eine Zugbahn von rund 350 Kilometern, dauerte rund 3.5 Stunden und erreichte eine Zuggeschwindigkeit von bis zu 117 km/h. Knapp 700 Menschen verloren dabei ihr Leben. Der grösste Tornadoausbruch fand 1974 statt und ist unter Fachkundigen als "Super Outbreak" bekannt. Innerhalb von rund 18 Stunden konnten sich mindestens 148 Tornados in der Tornado-Alley bilden, 6 davon waren verheerende Tornados und erreichten EF5-Status.
Tropische Wirbelstürme (Hurrikan) können auch teils für regelrechte Tornadoausbrüche sorgen. So wurden beispielsweise im Zusammenhang mit dem Landgang von Hurrikan Ivan im Jahr 2004 im Südosten der USA rund 120 Tornados und 4 Wasserhosen gezählt. Eine Wasserhose ist ein Tornado, welcher über der Wasseroberfläche bleibt und nicht über Land kommt, sie tritt also über dem Meer oder einem grossen See auf.
Abb. 3: Starker Tornado im Tornado-Alley, Symbolbild